Betreff
Antrag der Fraktion BfB hier: "Pestizidfreie Kommune"
Vorlage
070/18/FR-BfB/1
Art
Fraktionsvorlage BfB
Referenzvorlage

Beschlussvorschlag:

Die Stadtvertretung entscheidet in ihrer Sitzung vom November, dass die Stadt:

 

1.    schrittweise auf allen kommunalen Flächen (Kulturland sowie Nichtkulturland) keine

      chemisch-synthetischen Pestizide (Pflanzenschutzmittel) einsetzt.

 

2. Private Dienstleistungsunternehmen, die den Auftrag zur Pflege öffentlicher Flächen

    erhalten, ebenfalls zu einem Pestizidverzicht verpflichtet.

 

3. bienen- und insektenfreundliche Blühflächen (z.B. Grasfläche gegenüber des

    Kulturhauses) oder Projekte initiiert.

 

4. bei der Verpachtung kommunaler Flächen für eine landwirtschaftliche Nutzung ein

    Verbot des Einsatzes von Pestiziden im Pachtvertrag verankert.

 

5. private Firmen mit kommunaler Mehrheitsbeteiligung zur pestizidfreien

   Bewirtschaftung auffordert.

 

6. Bürger*innen über die Bedeutung von Biodiversität in der Stadt informiert und gleichzeitig Möglichkeiten zum Schutz von Bestäubern wie Bienen und Wildbienen sowie giftfreie Maßnahmen beim Gärtnern aufzeigt.

 

 

 


Sachdarstellung und Begründung:

In Städten und Gemeinden werden Pestizide eingesetzt, um Wege in Parks, Sport- und Spielplätze, Grünanlagen oder Straßenränder frei von unerwünschten Kräutern und Gräsern zu halten oder um gegen ungeliebte Insekten vorzugehen. Viele der Mittel stehen im Verdacht, Krebs zu erregen, die Fortpflanzung zu schädigen oder eine hormonelle Wirkung zu haben. Auf öffentlichen Flächen wie beispielsweise Sport- und Spielplätzen können die Wirkstoffe in direkten Kontakt mit den Bürger*innen kommen. Insbesondere für Kinder und Schwangere ist das eine Gefahr. Auch Haustiere wie Hunde und Katzen sind den Stoffen schutzlos ausgeliefert.

Für viele Tier- und Pflanzenarten im städtischen Raum sind Pestizide ein Verhängnis. Denn nicht nur die unerwünschten Wildkräuter und Insekten werden beseitigt, sondern auch Honigbienen, Wildbienen, Schmetterlinge und Fledermäuse. Entweder töten und schädigen Pestizide Insekten oder Wildkräuter direkt oder sie dezimieren ihren Lebensraum und ihre Nahrung. Von den fast 600 Wildbienen-Arten in Deutschland steht rund die Hälfte auf der Roten Liste. Dabei sind blütenbesuchende Insekten unentbehrlich für die Bestäubung von Wild- und Kulturpflanzen. Sie erhalten die Pflanzenvielfalt und sichern landwirtschaftliche Erträge und damit unsere Ernährung.

 

Laut Welternährungsorganisation sind weltweit rund zwei Drittel unserer Nahrungspflanzen auf Bestäuber angewiesen. In Städten und Gemeinden sichern Honigbienen, Wildbienen und

Schmetterlinge den Kleingärtnern eine gute Obsternte und den Stadt-Imkern reichlich Honig.

Weltweit und auch in Deutschland erleben wir einen zunehmenden Verlust der Artenvielfalt. Grund dafür ist vor allem die intensive Landwirtschaft. Dort dominieren meist Monokulturen, die intensiv mit Pestiziden gespritzt werden. Hecken oder Blühflächen, als Rückzugsgebiete und Nahrung für viele Insekten, Vögel und Säugetiere fehlen oft komplett. Über 40.000 Tonnen Pestizide belasten jährlich in Deutschland die Umwelt, Tendenz steigend. Das Ziel der Nationalen Biodiversitätsstrategie, den Verlust von Arten zu stoppen, kann mit dem aktuellen Pestizideinsatz nicht erreicht werden.

Siedlungsgebiete sind oft letzte Rückzugsorte für bedrohte Arten, die in der Agrarlandschaft keinen Lebensraum mehr finden. Kommunen können hier Verantwortung und eine Vorreiterrolle für den Artenschutz übernehmen, indem sie bei der Flächenpflege keine Pestizide einsetzen. Auch für die menschliche Gesundheit, die Lebensqualität und den Tourismus ist der Pestizidverzicht ein Gewinn.

 

 

 

Auf der Grundlage der Berichtsvorlagen 031/18/30 und 100/18/30 und der Ursprungsvorlage 070/18/FR-BfB hat die Verwaltung die Empfehlungen der Gremien zusammengetragen.

 

Bedenken des ABSVD:

Laut einer Studie kann beim Verzicht auf Pflanzenschutzmitteln ein Ernteverlust bis zu 30% die Folge sein.

Fazit: Ein pauschales Verbot von Pflanzenschutzmitteln ist falsch.

 

Heute dienen Pflanzenschutzmittel meist zur Beeinflussung des Pflanzenwachstums. Sie dienen zum Beispiel zur Erhöhung der Standfestigkeit bei Getreide, Verbesserung der Bewurzelung, Verringerung der Pflanzenhöhe durch Stauchung oder Verminderung der Keimung von Kartoffeln.

 

Bedenken des AWTUOS:

Aus feuerwehrtechnischer Sicht, gilt es zu bedenken, dass die nicht gemähten Flächen bei einer langen Trockenzeit zu Trockengras werden. Bei keiner Bewirtschaftung wächst die Trockensubstanz an und es kommt bei einer Witterung wie der jetzigen zu Bränden. Bei der favorisierten Flächen gegenüber dem Kulturhaus könnte ein Brand verheerende Folgen für den umliegenden Wohnbereich haben.

 

Den Landwirten sollte die Empfehlung mitgegeben werden, einen sparsamen Gebrauch von Pflanzenschutzmitteln zu veranlassen. Wünschenswert ist ein Verzicht.

 

Anmerkung der Verwaltung: Im letzten Landpachtvertrag – Drucksache 032/18/30, den die Verwaltung abgeschlossen hat, wurde dieser Hinweis bereits aufgenommen.

„Die Einhaltung des Pflanzenschutzgesetzes in der jeweils gültigen Fassung ist zu beachten. Der Pächter geht mit dem Einsatz von Pflanzenschutzmitteln auf den Pachtflächen schonend um. Wünschenswert wäre ein Verzicht vom Einsatz der Pflanzenschutzmittel in jeglicher Form.“

 

Die Verwaltung soll prüfen, inwieweit es möglich ist, Fördermittel für die insektenfreundliche Umgestaltung der Fläche in Boizenburg/Elbe in Anspruch zu nehmen.

Der Ausschuss wies auf einen entsprechenden Zeitungsartikel hin, in dem berichtet wird, dass die Bundesregierung 5 Mio. Euro als Sofortmaßnahme für den Insektenschutz bereitstellt.

 

Alternativen:

 

Die brachliegenden Gärten der Stadt Boizenburg und in den umliegenden Kleingartenanlagen, ungenutzte Grünflächen, Straßenbegleitgrün könnten mit Bienen- und Schmetterlingsfreundlichen Pflanzen bepflanzt werden. Auch bei erforderlichen Ausgleichsmaßnahmen wirkt die Verwaltung derzeit auf Anpflanzungen hin, die Insektenfreundlich sind. Damit könnte der Erhalt der biologischen Vielfalt unterstützt werden.

 

Die Verwaltung strebt die Aufstellung von Insektenhotels an. Frühblüher können im Straßenbegleitgrün auf Verkehrsinseln und in den Baumscheiben gepflanzt werden.

 

 

Der Ausschuss für Bau, Stadtplanung, Verkehr und Denkmalschutz hat auf seiner Sitzung am 14.08.2018 eine Einzelabstimmung des Beschlussvorschlages der Vorlage 100/18/30/01 vorgenommen.

Der Ausschuss für Wirtschaft, Tourismus, Umwelt, Ordnung und Sicherheit hat auf seiner Sitzung am 29.08.2018 dem gesamten Beschlussvorschlag der Vorlage 100/18/30/01 mit dem Abstimmungsergebnis: 4/2/0 zugestimmt.

 

Beschlussvorschlag der Vorlage 100/18/30/01

1. Die Stadtvertretung der Stadt Boizenburg/Elbe beschließt auf ihrer Sitzung am 13.09.2018 kein Verbot der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln.

ABSVD: 4/1/0

 

2. In Pachtverträgen mit Landwirten wird zukünftig auf den sparsamen Umgang mit Pflanzenschutzmitteln und den wünschenswerten Verzicht auf Pflanzenschutzmittel hingewiesen werden.

ABSVD: 4/1/0

 

3. Die Verwaltung wird beauftragt, sich über Fördermöglichkeiten für insektenfreundliche Gestaltungen der städtischen Grünflächen zu informieren.

ABSVD: 5/0/0

 

4. Die Verwaltung wird beauftragt, mögliche Alternativen wie: die Bepflanzung mit Bienen- und Schmetterlingsfreundlichen Pflanzen in brachliegender Gärten der Stadt Boizenburg und in den umliegenden Kleingartenanlagen, ungenutzten Grünflächen und dem Straßenbegleitgrün zu veranlassen.

 

Bei erforderlichen Ausgleichsmaßnahmen soll die Verwaltung ebenfalls auf die Anpflanzung von Insektenfreundlichen Pflanzen hinwirken.

 

Die Aufstellung von Insektenhotels und die Anpflanzung von Frühblüher im Straßenbegleitgrün, auf Verkehrsinseln und in den Baumscheiben soll die Verwaltung prüfen und ggf. umsetzen.

ABSVD: 5/0/0

 

Hinweis: Am 14. August 2018 hat eine Mitarbeiterin an der Veranstaltung des Biosphärenreservat Schaalsee „Biosphäre blüht“ Projekt zum Schutz der Wildbienen teilgenommen.

 

Hier wurden den Unterstützern für Blühstreifen- und Wildbienenprojekten Wildsamenmischungen zur Verfügung gestellt.

Die Verwaltung hat zwei verschiedene Mischungen erhalten, die auf zirka 2.000 m² aufgebracht werden können. Das Saatgut beinhaltet mehrjährig blühende Wildpflanzen, die einerseits auf Straßenbegleitflächen als auch auf Grünflächen aufgebracht werden können.

 

Im Frühjahr 2019 wird die Aussaat erfolgen

Die ersten Keimlinge sollen bei feuchter Witterung bereits nach 2-3 Wochen erscheinen. Die Entwicklung der Wildpflanzen erstreckt sich über eine ganze Vegetationsperiode. Einige Samen sind hartschalig und keimen erst im folgenden Frühjahr.

 

 

 

 

 


Anlagen: Antrag der Fraktion BfB vom 23.03.2018